Nr. 012 – Rhein-Lahn-Kreis. Kommunalpolitik ist mehr als Friedhofssatzung und Grundsteuerhebesätze, es geht um das Schwimmbad, um die Nahversorgung, um die Lebensqualität vor Ort - und es lohnt sich, hierfür aktiv zu werden, so der Tenor des Workshops „Junge Menschen und Frauen in die Räte!“ Die Studentin Theresa Lambrich hatte mit Unterstützung der ehemaligen Gleichstellungsbeauftragte des Rhein-Lahn-Kreises Alice Berweiler-Kaufmann, deren Nachfolgerin Dorothee Milles-Ostermann, Stefanie Merl (Gleichstellungsbeauftragten nach dem Landesgleichstellungsgesetz) und Dr. Tobias Kies das Projekt, das nun am Marion-Dönhoff-Gymnasium Lahnstein startete, ins Leben gerufen.
Für die überproportionale Unterrepräsentanz beider Gruppen, junger Menschen und Frauen, in den kommunalpolitischen Gremien, gibt es Ursachen. Diese zu ermitteln und anzugehen ist Ziel von Theresa Lambrich, die sich in ihrer Bachelorarbeit insbesondere mit der Unterrepräsentanz von Frauen beschäftigt. „Indem wir aber in einem Workshop mit Schülern Ursachen für das Fehlen von Frauen in den kommunalen Räten diskutieren, beschäftigen sie sich automatisch mit dem Thema Kommunalpolitik. Wir entwickeln also mögliche Lösungen, um an einem höheren Frauenanteil zu arbeiten und die Kommunalpolitik wird in das Sichtfeld junger Menschen gerückt. Ich bin überzeugt, dass man junge Menschen aktiv für Kommunalpolitik begeistern muss - wir schlagen mit dem Workshop also zwei Fliegen mit einer Klappe.“
Auch Landrat Frank Puchtler, der den Projekttag mit einem Videogruß eröffnete, betonte, wie wichtig es ist, dass junge Menschen Politik aktiv mitgestalten. „Wir brauchen frische junge Kräfte für die großen Herausforderungen, wie Klimaschutz, Digitalisierung und Mobilität – die Themen der Zukunft“, begrüßte Puchtler das Engagement der Schüler. Im Folgenden legte Thomas Schäfer, seinerseits Dozent für Kommunalrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Mayen, in einem anschaulichen Vortrag den Schülern dar, was kommunale Selbstverwaltung bedeutet und welche verschiedenen Gremien es in der rheinland-pfälzischen Rätelandschaft gibt. „Ich bin beeindruckt, dass in welcher Tiefe hier Wissen zu Themen wie Länderfinanzausgleich oder die finanzielle Ausstattung von Kommunen vorhanden ist. Es wäre sehr schön, wenn solche reflektierten, jungen Menschen sich auch in den Räten wiederfinden“, lobte Thomas Schäfer die Schüler des Sozialkundeleistungskurses.
In einer Gruppenphase beschäftigte sich der Kurs daraufhin ausgiebig mit der Unterrepräsentanz von Frauen und der Ursachenforschung. Was sind typische Eigenschaften von Frauen, Männern – und aber auch Politikern? Kandidieren Frauen erst gar nicht, oder werden sie nicht in die Räte gewählt? Welche strukturellen Faktoren halten Frauen womöglich von den Ratsmandaten fern? Dies waren einige der Fragen, die die Schüler aufwarfen, und mögliche Lösungsansätze eruierten. Sowohl die Thesen, als auch die Lösungen konnten die Schüler im Folgenden direkt auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen: Mit Linda Bröder (CDU), Gisela Bertram (SPD) und Petra Spielmann (Bündnis 90/Die Grünen) standen drei Frauen verschiedener Politikerinnengenerationen und Parteien den Schülern Rede und Antwort zu ihren persönlichen Erfahrungen in der Kommunalpolitik. So konnten abschließend die Lösungsansätze bewertet, verworfen oder aber konkretisiert werden. Einige der Vorschläge wird Theresa Lambrich auch in ihrer Bachelorarbeit, an deren Ende ein Konzept mit Maßnahmevorschlägen für den Rhein-Lahn-Kreis zur Steigerung des Frauenanteils stehen soll, berücksichtigen, verspricht die Studentin.
Am Ende des Workshops erklärten nahezu alle Schüler auf Feedbackkarten, dass sie einen spannenden und interessanten Tag hatten; insbesondere der direkte Kontakt mit den Interviewpartnerinnen kam gut an. Die Schüler wurden nicht nur für die möglicher Hürden für Frauen in der Kommunalpolitik sensibilisiert, sondern fühlen sich laut Feedback in Sachen Kommunalpolitik besser informiert. „Das ist ein tolles Ergebnis, wenn man bedenkt, dass Ziel war, einen Zugang zu dem – aus Sicht vieler Schüler – „Abstraktum Kommunalpolitik“ zu legen. Wenn zudem nur ein Schüler am Ende des Tages sagt, sie oder er könne sich eher vorstellen, (kommunal)politisch aktiv zu werden, haben wir einen Mehrwert geschaffen. Dieser These stimmte heute sogar etwa die Hälfte der Schüler zu. Das motiviert, weiterzumachen.“